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Wenn der „Optionenbericht“ kommt

Wenn der „Optionenbericht“ der TIWAG kommt, interessiert das kein Schwein mehr, außer den Landeshauptmann vielleicht, hätte ich beinahe gesagt. Aber wahrscheinlich ist auch er nicht mehr besonders neugierig drauf. Worauf sollte er es auch noch sein? Der „Optionenbericht“ liegt seit 27.9.2004 vor: auf www.dietiwag.at bzw. jetzt www.dietiwag.org!
Und der kann nicht so einfach verändert werden! Es gibt ja nicht plötzlich seit sieben Wochen neue Berge in Tirol oder neue Bäche, neue Hochtäler oder neue Fallhöhen. Man kann ja jetzt nicht einfach an einen Bach mit gemessenem Durchfluß eine größere Turbine hinstellen. Das sollte ja hoffentlich alles längst durchgerechnet sein! Man kann auch nicht gut ein Tal umbenennen, nur weil der vom Landeshauptmann vorzustellende „Optionenbericht Großkraftwerke“ der TIWAG unbedingt anders ausschauen müssen muß als der von uns bereits vorgestellte „Optionenbericht Großkraftwerke“ der TIWAG. Ja, man könnte Fischbach-Speicher sagen statt Sulztal-Speicher, ja, das Fassungsvermögen in Hektoliter statt in Kubikmeter angeben, die Projekte in der Liste anders reihen vielleicht, eine Tabellenspalte einfügen oder eine weglassen. Viel mehr an Änderung ist nicht möglich. Der „Ausbau Kraftwerk Naturns (Südtirol)“ wird hinausfliegen, weil er hinausfliegen muß. Dafür wird möglicherweise irgendwo der Optik wegen noch eine Zeile mit einer Schubladenvariante eingefügt. Damit hat sich die große Neuerfindung.
Denn trotz heftigen Hineinreklamierens durch den Bürgermeister des Ötzidorfes wird der Sulztaler Atomstromspeicher nicht ins Umhauser Zwieselbachtal übersiedeln. Und bloß eine jetzt hochformatige Tabelle, in der die Fakten kopfstehen, jetzt im Querformat zu bringen, wird die Aufstellung auch noch nicht rasend neu erscheinen lassen.

Die vermeintliche Rettung liegt also in einer hübschen Verpackung des ganzen. TIWAG-Prokurist Fridolin Zanon erzählt es allen, die es hören wollen (wenige) und allen, die es nicht hören wollen (viele), daß er, ja, er!, den „Optionenbericht“ schreibt. Er hat den dürren Entwurf der Techniker wie einen Strudelteig auf Berichtslänge auszuwalzen. Ui, da wird’s aber Löcher geben! Der Endbericht sollte, damit er nach etwas aussieht, so Wallnöfers Auftrag, ca. fünfzig Seiten umfassen. Was drin steht, scheint ja wurscht zu sein, aber fünfzig Seiten sollten es halt sein. Dickes Papier, großzügiges Layout sollen helfen, das ganze fülliger, repräsentativer erscheinen zu lassen. Und ausgerechnet der Zanon!

Was soll dieser „Optionenbericht“ wert sein? Eine Bestandsaufnahme der Ausbaumöglichkeiten in Tirol, die ernst genommen werden möchte, müßte von unabhängigen, international anerkannten Fachleuten gemacht werden und nicht in der Chefetage des bauwütigen Bauträgers. Dann könnte es ein Expertenbericht sein, so ist es ein Wunschkatalog der TIWAG.
Hätten, ja, hätten unvoreingenommene Gutachter das nutzbare Wasserkraftpotential erhoben, so hätten sich diese nicht mit dem vorhandenen veralteten TIWAG-Datenmaterial zufrieden gegeben. Dieser „Optionenbericht“ beruht, z.B. was die Ötztal-Pläne von 1992 betrifft, auf den hydrologischen Kennzahlen der Jahre 1951-1975! Hier ist kein Rückgang der Gletscher und damit des Wasserdargebotes berücksichtigt. Hier ist nicht berücksichtigt, daß die rechtlichen Rahmenbedingungen heute strenger sind und damit wieder Einfluß auf die nutzbaren Wassermengen haben. Hier ist nicht berücksichtigt, daß die Wasserrahmenrichtlinie der EU gewisse Projekte schlicht unrentabel macht. Diesem „Optionenbericht“ fehlt die reale Basis. Er ist Altpapier zum Zeitpunkt, zu dem er gedruckt wird.

Die rabiaten Ausbaupläne der TIWAG werden darin flauschig eingebettet sein in ein Gewirks aus halberten Wahrheiten und halberten Lügen, hübsch frisierten, (d.h. hier: auftoupierten) Bedarfsprognosen sowie frei erfundenen Eigenversorgungszahlen. Damit sich das Stromexportland Tirol dort als Stromimportland wiederfinden kann. Mit erstunkenen Stromengpässen und erlogenen Deckungslücken soll ein bißchen gedroht und ein bißchen eingeschüchtert, ein bißchen genötigt und ein bißchen erpreßt werden. Um dann mit der groben Patriotismuskeule zu Werke gehen zu können: Wir (die wir jedes Dorf an die Erdgas-Pipe-Leine legen!) müssen vom Ausland unabhängig bleiben, Tirol darf nicht zum „Bittsteller“ auf dem europäischen Strommarkt werden und was sonst noch an Verzapfbarem verzapfbar ist.
Da soll ein bißchen Gewäsch von wegen Stärkung der TIWAG dabei sein und auch der Mumpitz von wegen niedrigerer Stromkosten durch neue Kraftwerksbauten an die Leute gebracht werden. Zanon mit Wallnöfer im Rücken, oder besser gesagt im Genack, wird ein paar höchst fragwürdige ökologische Argumente breitwalzen, wird von Klimaschutz reden und von der erneuerbaren Wasserkraft. Ob das Kaunertal auch erneuerbar ist, wird er nicht sagen. Der Atomstromlieferant TIWAG wird ein bißchen gegen die Atomkraft polemisieren und von der knapper und teurer werdenden Ressource Öl faseln. Eine Gigawattstunde Strom aus Wasserkraft, wird er schreiben, ersetzt 200.000 Liter Erdöl. Wo tut sie das? Mit Strom heizen? Mit Strom autofahren? Um Öl einzusparen, brauch ich kein Wasserkraftwerk zu bauen, sondern muß den öffentlichen Verkehr fördern. Ach, Zanon!

Ein Optionenbericht, der ernstgenommen werden möchte, müßte das riesige Energiesparpotential als erste „Option“ ansetzen und ohne Polemik die alternativen Erzeugungsformen Biomasse, Solarenergie, Umweltwärme, Müllverwertung einbeziehen. Aber so lange das Lineal das wichtigste Werkzeug der Politik bleibt, mit dessen Hilfe man die Linie aus der Vergangenheit gerade aus in die Zukunft verlängert, gehen solche „Optionen“ an der TIWAG-Zentrale und damit am völlig danebenstehenden Landhaus weit vorbei.

Statt sich mit der Aussage, in den nächsten 25 Jahren braucht Europa eintausend neue Kraftwerke von der Größe Sellrain-Silz (wie es mit Bruno Wallnöfer „einer der besten Energiefachleute“ tut, die van Staa kennt) komplett der Lächerlichkeit preiszugeben, sollte sich der nicht grad wahnsinnig optimale Optionenberichterstatter vielleicht die Spalte mit den arg über den Daumen gepeilten Investitionskosten der Wunsch-Projekte noch einmal ansehen.

Van Staas Lieblingsprojekt „Kraftwerksgruppe Ötztal“, in der veröffentlichten Projektliste versehentlich erst an 6. Stelle in der Rentabilität, muß unbedingt weiter nach vorne gerechnet werden. Auf eine Null mehr oder weniger wird’s in der TIWAG-Chefetage wohl auch nicht mehr ankommen. Möchte man doch die favorisierten „Optionen“ über fingierte Rentabilitätszahlen so reihen, daß auch das dümmste Mitglied der Landesregierung (Heimhörerfrage: Wer ist das?) zum „richtigen Projekt“ reflexartig ja sagen kann.
Die in der bisherigen Fassung genannten Investitionskosten der einzelnen Projekte erscheinen nach Auskunft eines Bausachverständigen, der diese Branche kennt, als „milde gesagt: sehr kühn“. (Mehr als kühn ist es nach seinen Angaben, dann noch - wie geschehen - die Kosten des jeweiligen Projekts lediglich durch die Leistungsmeßzahl der dort einzubauenden Turbine zu dividieren und das als Kennziffer für die Profitabilität des Kraftwerks auszugeben.)
In der Tabelle nichts zu ändern, könnte ein selbstgelegtes Ei sein. Hier mit neuen Zahlen zu kommen, ist eines.

17.11.2004


 
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