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„Ein Fiasko“

Ganz aktuell: Was sagen Sie zur gestern bekanntgegebenen politischen Entscheidung, alle vier Kraftwerksprojekte voranzutreiben?
Daran hat ja im Haus niemand mehr gezweifelt. Nur: auf Basis dieser Vorarbeit der TIWAG einen Regierungsbeschluss von solcher Tragweite zu treffen, das ist – entschuldigen Sie – frivol.

Nichts zu entschuldigen, wir reden hier ganz offen. Sie sprechen vom sogenannten Fortschrittsbericht der TIWAG?
Also seinem Namen wird er überhaupt nicht gerecht. Man hätte Fortschritte in der Entwicklung der Projekte erwartet, in der gesellschaftlichen Akzeptanz, in vielen dringlichen Fragen. Vor allem aber passiert das ganze außerhalb eines energiewirtschaftlichen Gesamtkonzepts. Auch die wirtschaftliche Machbarkeit wurde bisher nicht geprüft, es gibt da nur ein paar Gefälligkeits-Aussagen vom Brauner (Anm. Günther Brauner, Univ.-Prof. TU Wien) und vom Haubrich (Anm: Univ.-Prof. Hans-Jürgen Haubrich, TH Aachen).

Van Staa hat ja immer davon gesprochen, den Bericht „von Experten und externen Fachleuten“ prüfen zu lassen. Was sagen Sie dazu?
Selbst wenn er es gewollt hätte, wie hätte das vor sich gehen sollen, wenn keine Substanz da ist? Was sollte da geprüft werden? Dieser „Fortschrittsbericht“ fällt ja in puncto Konkretheit noch hinter den seinerzeitigen „Optionenbericht“ zurück. Es wäre ja für jeden Experten eine Zumutung, so ein substanzloses Papier zu prüfen. Da ist absolut keine vertiefende Projektentwicklung erkennbar. Das ist alles so skizzenhaft, daß man darauf seriöserweise einfach keine politische Entscheidung aufbauen kann.

Immerhin ist die TIWAG seit über zwei Jahren an den Projekten dran: Was hat die riesige Projektabteilung im Haus denn die ganze Zeit gemacht?
Wir auf jeden Fall bei diesen Projekten gar nichts. Außer die Projektleiter natürlich, die man von Termin zu Termin gehetzt hat. Aber es ist praktisch nichts da an Material, das man für eine Einreichung braucht. Jeder, der einmal ein Projekt zur behördlichen Vorprüfung eingegeben hat, kann das nur bestätigen. Jedes kleine private E-Werk, das ein Werkl an einem Dorfbach einreicht, hat seine Unterlagen tiptop beisammen im Vergleich zu dem, was hier vorliegt. Da muß man natürlich dazusagen, daß keiner der vier Projektleiter je ein Projekt gemacht hat. Und daß ihnen diese Geschichten jetzt um Hausnummern zu groß sind, um Hausnummern!



So großkotzig hat es einmal begonnen: TT vom 17. Juni 2004
Seitdem ist die TIWAG beständig auf dem Rückzug.



Was ist, wenn man den Raster des Syntheseberichts über den Fortschrittsbericht drüberlegt?
Dann fallen alle Projekte durch! Mit Bomben und Granaten. Die Düpierten sind ja jetzt die Verfasser des Syntheseberichts. Diese Rauter-Gruppe war ja die Idee von van Staa selber. Es wäre gescheit, jetzt die selben Leute drüber zu lassen wie beim Optionenbericht – mit denselben Prüfprinzipien. Diese könnten dann die Fortschritte erkennen – oder eben nicht. Den Prüfern war ja seinerzeit der Optionenbericht schon zu dünn, zu dürftig. Es hat ja schon im Synthesebericht immer wieder geheißen: „Konkrete Planungen lagen nicht vor.“ Und die Rauter-Leute haben oft und oft (und meist erfolglos) konkretere Informationen bei uns nachgefragt, weil das ganze aufgrund der dürftigen Unterlagen einfach nicht seriös zu beurteilen ist. Wenn wir jetzt nur einmal die kraftwasserwirtschaftliche Bewertung des Syntheseberichts drüberlegen über den Fortschrittbericht, dann ist das so etwas wie das Todesurteil für diese Projekte: Wenn die Vorgabe der „effektive und effiziente Gebrauch der Wasserkraft“ sein soll, „die Ausnutzung der großen verfügbaren Fallhöhen“, dann ist das, was zum Beispiel bei Ihnen im Ötztal abläuft, ein einziges Verplempern der Ressource Wasser. Die soll jetzt partout aus einer politischen Laune heraus - für alle Zeiten, bitte! - verjuxt werden.

Was ist mit den sogenannten „Optimierungen“ der Projekte?
Wenn wir zum Beispiel das Projekt Kaunertalausbau hernehmen, findet da ja eine einzige fortgesetzte energiewirtschaftliche Degradation (Anm.: Verschlechterung) statt, zuerst durch die Variante Taschach und jetzt nocheinmal durch die Variante unterhalb von Vent. Da wird ja wild gefuhrwerkt: Geh’n wir 300 Meter weiter herunter, dann wird’s schon gehen! Oder besser gesagt, zuerst geht man mit der Wasserfassung von 2300 Meter auf 2000 Meter herunter und dann noch auf 1800 - das ist ja haarsträubend! Zur energiewirtschaftlichen Aufbesserung brauchen wir dann erst recht wieder ausländische Hilfe, denn diese Grundlastenergie zum Pumpen haben wir selber nicht. Diese Projekte spielen – entgegen der Propaganda von der Eigenversorgung – alle nur über den europäischen, vor allem deutschen Stromverbund. Man macht sich erneut und verstärkt von ausländischen Stromlieferungen abhängig. Und da sind dann auch wieder nur Konzerne als Partner denkbar, die voll auf Kernkraft setzen, wegen der Grenzkosten.

Muß man also, wie es bereits geschehen ist, eher von einem Rückschrittsbericht sprechen?
Es fehlt einfach eine entsprechende Projekttiefe, um entscheidende Fragen beantworten zu können. Beim momentanen Projektstand sind nicht einmal die Kosten seriös berechenbar, und davon hängt ja die Wirtschaftlichkeit ab und die Frage, was ist dem Projekt zumutbar, was kann ich mir leisten, was kann ich anbieten usw. Hier dann, wie im Falle Raneburg-Matrei, von einem „Investitionspaket Osttirol“ zu sprechen, ist politisch fahrlässig bis dort hinaus, noch dazu bei dieser degenerierten Variante. Ganz entscheidende Gespräche wurden meines Wissens noch gar nicht einmal begonnen, zum Beispiel mit den vielfach betroffenen Bundesforsten. Die wollen ordentliche Beteiligungsmodelle sehen, anders lassen sich diese heute nicht mehr abspeisen. Das ist dort ein eigenes Geschäftsfeld. Oder auch was das Ötztal betrifft: Das Anspruchsrecht des Verbunds auf das Ötztaler Wasser, das ja auf die Studiengesellschaft Westtirol m.b.H. zurückgeht, ist alles andere als geklärt im Ausstiegsvertrag. Der Verbund darf seinen Aktionären gegenüber gar nicht verzichten darauf. Das wird aller Voraussicht nach ausjudiziert werden müssen.

Was sagen Sie dazu, daß die TIWAG den TIWAG-Pensionisten Helmut Schwab auch noch offiziell als Gutachter „für die geplanten Speicheranlagen“ anführt. Hört da nicht der Spaß auf?
Das ist wirklich ein Skandal und auch ein Affront gegenüber allen Ingenieuren im Haus. Der Schwab war ja derjenige, der unseren Baubereich als einst stolzen eigenen Vorstandsbereich heruntergewirtschaftet hat. Das ist heute ein verlorener Haufen ohne jegliche Identität. Der Schwab hat uns ja jahrelang – alle außer sich und den Bernhard (Anm.: Dr. Bernhard Hofer, Abteilungsleiter innerhalb des Bereiches Engineering Services / BES) - als Volltrottel gesehen. Heute arbeitet der Schwab auf Basis von Consulting-Verträgen für die TIWAG, das heißt, er läßt sich alles hier im Haus machen. Und der Bernhard kommt halt auch von den Planern und nicht von den Energiewirtschaftern. Einem Lauffer (Anm.: Harald Lauffer war viele Jahre technischer TIWAG-Vorstand) muß das ganze ja im Herzen wehtun, wenn er das alles noch erlebt und mitbekommt.

Und warum passiert das ganze dann?
Das Problem ist, daß die Politik - Landeshauptmann van Staa ganz konkret – etwas vorgibt und die TIWAG das dann exekutiert. Das war früher nicht so, daß operative Befehle kommen. Das ganze ist heute ein rein politisches Programm und kein energiewirtschaftliches. Unsere Leute stehen schwer unter Druck. Das äußert sich darin, daß die Projekte feasible (Anm.: machbar, ausführbar) gemacht werden müssen – ohne Rücksicht auf Verluste. Die wasser- und energiewirtschaftliche Effizienz spielt dann keine Rolle mehr. Der Herwig will endlich Projekte auf Schiene haben, um eben politisch nicht zu scheitern. Diesen Eindruck haben wir Planer. Und in den Augen vom Bruno (Anm.: Wallnöfer, TIWAG-Vorstandsvorsitzender) sind Techniker sowieso bloße Erfüllungsgehilfen, Personen dritter Kategorie - um nicht auch „Volltrottel“ zu sagen.



„Seite 55 von 54“: Die TIWAG wächst über sich hinaus. Aber nur auf dem Papier.
Im Bild die letzte Seite des „Fortschrittsberichts“


Wie sieht es mit der technischen Machbarkeit aus?
Um ein Beispiel zu nennen: Das ganze ist ja auch geologisch noch überhaupt nicht untersucht, um hier die Kosten auch nur anschätzen zu können.

... wollt ich grad sagen, das basiert ja auf Fotos bisher. DI Kofler hat uns gesagt, die Geologie im Rofental wurde anhand von Fotos begutachtet und es schaue gut aus.
Das glaub ich sofort, ja, und im Taschachtal, spricht der Wallnöfer von einer geeigneten Engstelle. Aber da ist weit und breit keine Engstelle, ich kenne ja das Taschach sehr gut, von Skitouren und so. Das ist in Wahrheit die breiteste Stelle im Tal, wo der Damm geplant ist, von einer Engstelle keine Rede.

Also die Engstelle beim Taschach-Projekt ist eher eine politische, glaube ich. Zum Rofental wollte ich noch sagen, da hat man auch noch keine Ahnung vom Permafrost in den Nordlagen, in der Vernagtneder zum Beispiel, der dort weit heruntergeht und wo ja allerhand in Bewegung gerät, das hat man sich alles noch gar nicht angeschaut.
Das kann hochgefährlich sein. Durch den Stau des Wassers entsteht Druck auf das Eis, dieser Druck erzeugt Wärme, und dann marschiert der Hang. Oder wenn man sich die Problematik mit dem Schwall im Gepatsch anschaut oder die mit dem Geschiebe. Legen Sie nur wieder den Synthesebericht drüber: „die Reduzierung der Schleppkräfte durch Reduktion der Wassermengen in Talgewässern“. Alle diese Vorerhebungen sind nicht gemacht worden, wären aber Voraussetzung, um die Rentabilität eines Projekts abschätzen zu können. Das ist ja alles zumindest betriebswirtschaftlich völlig verantwortungslos! Oder der Bauplatz in der engen Rofenschlucht: Wo bitte ist der? Das müßte ja großteils in die Felsabhänge hineingesprengt werden.

Also die Kostenschätzungen liegen daneben?
Und das weit! Zum Beispiel die ganzen angebotenen oder geforderten Ausgleichsmaßnahmen, das geht ja ungemein ins Geld. Mit fünf Prozent der Investitionssumme – wie früher, ist’s nicht mehr getan. So einfach wie seinerzeit im Kaunertal lässt sich heute niemand mehr was wegnehmen und abspeisen. Oder die Mehrkosten, falls die großspurigen Versprechen des Hochwasserschutzes eingehalten werden sollen, all das ist noch nicht inkludiert.

Uns hat ja der Projektleiter Kofler, als wir ihn einmal darauf hingewiesen haben, wie dramatisch die Gletscher abschmelzen, gesagt: „...die werden ja immer wieder aufgefüllt!“ Sehen Sie, solche Leute sind da unterwegs! Warum sagt denn niemand, daß dieser Fortschrittsbericht höchst unseriös ist?
Doch, doch, aus dem Landhaus, auch aus Regierungskreisen, hört man das schon, daß dieser Bericht eine Pflanzerei sei, oder die Anna Hosp lässt einen schon auch wissen, daß sie die TIWAG schlicht für unfähig hält. Mein Gott, und dann schickt der van Staa noch schnell Leute ins Gelände, den Heissel zum Beispiel dieser Tage, die ihm dann ruckzuck Berichte liefern sollen, die er jetzt eh nicht mehr abgewartet hat. Die anderen Landesgesellschaften lachen sich ja halbtot über die TIWAG und ihr Vorgehen. Die TIWAG war immer geschätzt, aber sie hat ihr Profil verloren seit van Staa und Wallnöfer. So kann das ganze nur in einem Fiasko enden.
Nocheinmal: Es ist absolut keine Strategie erkennbar und nicht der Ansatz eines Betriebskonzepts. Wenn man sich anschaut, wie oft in den vergangenen zwei Jahren die Argumentation gewechselt hat - das ist natürlich auch nicht mehr zu kommunizieren, da muß ich jetzt den Georg Hofherr fast in Schutz nehmen.

Bitte nicht!
Nein, er ist natürlich an der Misere nicht ganz unschuldig, aber es wird ihm auch nicht leichtgemacht, dieser Sprunghaftigkeit zu folgen. Die TIWAG nimmt ja die Argumentation, der sie sich bedient, selber nicht ernst, das ist so. Und das ist das Dilemma. Wie sollen die Leute etwas glauben, was sie selber nicht glaubt?

28.6.2006


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