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80 Jahre Gauhaus in Innsbruck

Am 15. Oktober 1938 wurde mit den Arbeiten an jenem „gewaltigen Bau“ begonnen, „der künftighin als Sitz der Gauleitung ein neues Wahrzeichen des nationalsozialistischen Aufbauwillens in unserem Gau darstellen wird“.
Dieses größte öffentliche Bauvorhaben in der Gauhauptstadt Innsbruck während der NS-Zeit, das in der Folge auch als lokale Reichskanzlei (Reichsstatthalterei) dienen sollte, nennt sich heute Neues Landhaus und ist Sitz der Tiroler Landesregierung.





Beim Gauhaus/Landhaus handelt es sich um den bedeutendsten Nazi-Repräsentationsbau Tirols. Errichtet wurde es nach Plänen der beiden im Sudetenland geborenen Brüder Walther und Ewald Guth, die aus einem nach dem „Anschluss“ eilig abgehaltenen Wettbewerb als Sieger hervorgegangen waren. Es handelt sich um systemloyale Staatskunst für die neuen Machthaber, die vor allem im vorspringenden blockhaften Eingangsbereich stark an die neue Reichskanzlei in Berlin von Albert Speer erinnert.
Die monumentalen Säulen sollen die Stabilität des neuen Regimes symbolisieren, und die wuchtige Symmetrie der mit über 85 Metern Länge breit dastehenden Südfront soll der tausendjährigen Dauer des angebrochenen Dritten Reiches Ausdruck verleihen.




Das siegreiche Modell der Architektenbrüder Walther und Ewald Guth, hier ausgestellt im Sitzungssaal des Tiroler Landtages


Es ist NS-Herrschaftsarchitektur, nichts anderes. Der Grundriss des Gauhauses/Landhauses soll einem auffliegenden Adler nachempfunden sein, vielleicht auch dem Reichsadler, ein Zugriff auf einen tiefsitzenden völkischen Mythos jedenfalls.





Sprechende Architektur

„Weil wir an die Ewigkeit dieses Reiches glauben, sollen auch diese Werke ewige sein, (…) sollen diese Bauwerke nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern sie sollen hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft.“

Adolf Hitler am Reichsparteitag in Nürnberg, 1937



Wie eine Befestigungsanlage steht dieser Nazi-Bau da, wie ein Schutzwall gegen das eigene Volk, ein Sperrriegel, monoton, kantig, klotzig, als Bollwerk des NS-Systems. Hier wurden ungeheure Verbrechen geplant und deren Ausführung angeordnet. Das Gauhaus ist gebaute, zu Stein gewordene Ideologie. So sehr es den Intentionen der Hitlerdiktatur entsprochen hat, so wenig entspricht es denen der parlamentarischen Demokratie, denen einer halbwegs offenen Gesellschaft.

Ein guter Zufall hat uns eine Bilderserie von der Entstehung des Neuen Landhauses in die Hände gespielt, die hier erstmals veröffentlicht wird.




Architekt Ewald Guth und Gauleiter Franz Hofer bei der Besichtigung das Modells (vergrößern)




Gipsmodell mit Prospekt der Nordkette (vergrößern) – Vergleich mit der Reichskanzlei in Berlin (hier)




Der Eingangsbereich im Gipsmodell




Neueste Zeitung (Innsbruck), 6. Mai 1939




Firstfeier, 6. Mai 1939 (vergrößern)



Die Neueste Zeitung, das Abendblatt der Innsbrucker Nachrichten, berichtet darüber am 6. Mai 1939:

„Unser Gauhaus steht im Rohbau fertig. Der Dachstuhl ist bereits aufgesetzt, und so konnte heute mittags in Anwesenheit unseres Gauleiters Hofer als Bauherrn, der Mitglieder der Landesregierung, des Kreisleiters Dr. Primbs, Oberbürgermeisters Dr. Denz und zahlreicher anderer Vertreter von Partei und Staat sowie der Gauhauptstadt Innsbruck das Richtfest des gewaltigen Baues stattfinden, der künftighin als Sitz der Gauleitung ein neues Wahrzeichen des nationalsozialistischen Aufbauwillens in unserem Gau darstellen wird. (…)
Das neue Gauhaus stellt tatsächlich in jeder Beziehung ein Vorbild neuer deutscher Architektur dar, einfach, zweckmäßig und doch überaus eindrucksvoll. (…)
Als Gauleiter Hofer mit seiner Begleitung den Balkon betrat, wurde er von den Arbeitskameraden stürmisch begrüßt. Die Wiltener Musik setzte mit einem flotten Marsch ein.
Nach altem Brauch hielt dann ein Zimmermann in launigen Versen, die den Werdegang des Baues schilderten, den Richtspruch und leerte die Gläser auf den Führer, auf Gauleiter Hofer, als Bauherrn des Gauhauses, das Land, auf den Baumeister und alle am Bau beteiligten Stellen, zuletzt auf die Arbeitskameraden selbst. (…)
Der Dank des Gauleiters galt insbesondere dem Bauunternehmer Baumeister Hinteregger und den Arbeitskameraden, die unermüdlich am Werk waren. Mit der Aufforderung, im Geiste Adolf Hitlers, des ersten Arbeiters der Nation, weiterzuschaffen, einem dreifachen, brausend aufgenommenen Sieg Heil! auf den Führer und den Liedern der Nation schloß die eindrucksvolle Feier.“





Das fertige Gebäude, so, wie es heute dasteht (vergrößern)


Abreißen? Nein.

Der Bombentreffer von 1944 hat wenig ausgerichtet (siehe Ostportal/Wilhelm-Greil-Straße) . Bei Kriegsende wurde das Gauhaus rasch von der provisorischen Landesregierung übernommen. Manche sagen heute, man hätte es sprengen müssen. Die Architektur und die Entstehungsgeschichte bedrückten zu sehr. Andere sagen, man hätte den faschistischen Riegel zumindest optisch aufbrechen, durch eingebrachte architektonische Akzente Distanz zur Vergangenheit herstellen sollen, etwa mit einem Teil der sieben Millionen, die am Vorplatz verbetoniert wurden. Es gibt auch den Standpunkt, dass es richtig war, den Nazibau genau so, wie ihn die Nazis hingestellt haben, in Besitz zu nehmen und mit der Einnahme des NSDAP-Hauptquartiers zu demonstrieren, dass die Demokratie über die Diktatur gesiegt hat. 1945 gab es aber auch gar keine andere Wahl, als in die vorhandene, fast neue und fast unversehrte Hütte hineinzugehen und von dort aus den Wiederaufbau zu organisieren.


Was fehlt?

Bald 75 Jahre nach dem Hinauswurf der Hitlerfaschisten gibt es am Neuen Landhaus immer noch keine Mahntafel oder Gedenktafel oder Erinnerungstafel, was auch immer, die auf die Geschichte und die Baugeschichte des Hauses hinweisen, die NS-Architektur erklären würde, um somit den Nazi-Repräsentationsbau („größter Neubau eines Gauhauses in der gesamten Ostmark“) vielleicht sogar zu einem Ort des Lernens zu machen.




Der gerade jetzt vor 80 Jahren vollzogene Spatenstich zum Neuen Landhaus sollte ein Anlass sein, die Dinge zu klären und zumindest eine Informationstafel am Haus oder im Eingangsbereich anzubringen.


5.10.2018


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