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Wie sich Günther Platter immer wieder betätigt

Wo gibt es das noch, dass ein Musikstück, das eigens für eine NS-Einrichtung geschrieben worden ist und einem NS-Kriegsverbrecher gewidmet ist, immer noch gespielt wird?

In Tirol. 2013.
Nicht nur in Anwesenheit des Landeshauptmannes und seines Ministers, sondern vom Landeshauptmann und seinem Minister selbst.



12. Oktober 2013: Tirolerbund-Feier in Wien; Ehrenschutz Landeshauptmann Günther Platter: Die Militärmusik erweist Gauleiter Hofer durch Darbietung des „Standschützen-Marsches“ ihre Reverenz



26. Jänner 2013: Tirolerball in Wien; Ehrenschutz Landeshauptmann Günther Platter: Ehrerbietung an Gauleiter Hofer durch Abspielen des „Standschützen-Marsches“ unter lautstarker Beteiligung der Festgäste



25. April 2011: „Landesüblicher Empfang“* für Minister Karlheinz Töchterle in Telfes;
der Landeshauptmann und der Minister würdigen Gauleiter Hofer durch Aufführung des „Standschützen-Marsches“



Wer ist der hiermit von den Bläsern des Standschützen-Marsches Geehrte?

Den Standschützen-Marsch hat Sepp Tanzer dem Gauleiter Franz Hofer „in Dankbarkeit (!) gewidmet“. Wer ist dieser Gauleiter Hofer, der mit jeder Aufführung des Standschützen-Marsches geehrt wurde und mit jeder weiteren Aufführung des Standschützen-Marsches geehrt wird?

Franz Hofer war bereits 1931 der in Österreich verbotenen NSDAP beigetreten und seit November 1932 „Gauleiter von Tirol“. Nach dem Einmarsch der Hitlertruppen wurde er im Mai 1938 Gauleiter von Tirol-Vorarlberg. Auf seinen Befehl hin („die kochende Volksseele muss sich gegen die Juden erheben“), rückten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 Rollkommandos der SA und der SS aus und ermordeten vier Innsbrucker Juden. Hofer wohnte fortan in der arisierten Villa Schindler am Rennweg. 1949 wurde er in Österreich als Hochverräter und Kriegsverbrecher in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Ihm ist im „Standschützen-Marsch“ von Sepp Tanzer ein immerwährendes Denkmal gesetzt.



Unheilvolle Tradition – eine Tradition voller Unheil

Nie zuvor hat die von der Politik unterstützte, die Politik unterstützende „Volkskultur“ einen solchen Aufschwung erlebt wie unter Gauleiter Hofer. Und nie zuvor in der Zweiten Republik ist sie in Tirol so gefördert worden und hat sie so überhand genommen wie unter Platter. Weil er sonst nichts hat! In Worten: nichts. - Voriges Wochenende war er mit Tiroler Blasmusik und Schützen in Wien, dieses Wochenende war er mit Tiroler Blasmusik und Schützen in Berlin. Diese Dominanz der Auf- und Abmarschierer erdrückt alles. Entstellt das Gesicht des Landes zu einer Fratze.

Natürlich hat Platter in seiner Schlichtheit keine Ahnung, wo das alles herkommen könnte. Und er hat auch keine Ahnung, wo das alles hinführen könnte. Diese, Anführungszeichen unten, Kulturlandschaft, Anführungszeichen oben, welche seine ÖVP so pflegt, ist auch das Feld der FPÖ. Das Feld der Ernte der FPÖ. (Heute schon.) So wie der Austrofaschismus mit seiner exzessiven Vaterlandstümelei der ideale Wegbereiter war für die totale Instrumentalisierung des sogenannten Brauchtums in der NS-Zeit.




Nein, Platter ist nicht Hofer, aber er setzt diese unselige Tradition von Kopf bis Fuß dumpf fort: gleicher Hut, gleicher Federbusch, (fast) gleicher Rock, selber Titel: „Landesoberstschützenmeister“




Nein, Platter ist nicht Hofer, aber 70 Jahre später bedient er sich wie sein Amtsvorgänger des sogenannten Brauchtums. Als ob da nie etwas gewesen wäre.




Immer noch, wie in der Nazizeit (links), paradieren regimetreue Schützenkompanien ohne Ende vor den Machthabern (rechts: 2009). Einer demokratischen Republik ganz und gar unwürdig.




„Gauleiter Hofer als Landes-Oberstschützenmeister bei seinen Jungschützen“ (1943): Landeshauptmann Platter ist nicht Gauleiter Hofer, aber … Ja, was aber?

*) Es gibt eine landesübliche Perversität, die sich „Landesüblicher Empfang“ nennt. Günther Platter hat sie gerade erst in einer neuen 24-seitigen Extrapublikation abgefeiert. Es ist zum Schießen! Nicht nur für die Ehrenkompanie. Hier als Bonus-Track.


Der Standschützen-Marsch

Standschützen-Marsch? Welche Standschützen sind denn da gemeint, 1942, als Sepp Tanzer den Standschützen-Marsch komponiert? Die Standschützen von 1942 natürlich! Gauleiter Hofers Standschützen. Die Schützenkompanien, Trachtenvereine und Musikkapellen wurden - entgegen den jetzt siebzig Jahre lang erzählten Märchen - 1938 nicht aufgelöst, sondern in den Standschützenverband übergeführt. Zur höheren Ehre des NS-Regimes. Diesen Standschützen des Dritten Reiches, genau diesen, hat Tanzer mit seinem Marsch ein Denkmal gesetzt.


„Wenn heute neben den Politischen Leitern, neben den Gliederungen der NSDAP unsere Standschützen in ihren alten Trachten marschieren, wenn der Schützenhauptmann stolz seinen Säbel vor seinem Gauleiter und Landesoberstschützenmeister senkt, wenn die Musikkapellen wieder mit unseren alten schönen Märschen vorbeiziehen und so dem Wehrwillen und der Lebensfreude unseres Stammes Ausdruck geben, dann wissen wir, daß es gelungen ist, dieses alte, stolze Tirolertum in die große deutsche Gemeinschaft einzugliedern, ja es vor dem drohenden Verfall zu retten …“
Gauinspekteur, Kreisleiter Klaus Mahnert, „Aufbau und Bewährung – Der Kreis Imst zwei Jahre unter nationalsozialistischer Führung“, Imst 1940



Der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner nimmt an der Eröffnung des Landesschießens 1943 in Innsbruck teil („6. Landesschießen 1943, Erfolgsbericht“, Seite 10)


"Die Organisation des Standschützenverbandes Tirol-Vorarlberg lehnt sich örtlich und gebietsmäßig an die Organisation der NSDAP an. Führer des Standschützenverbandes, Landesoberstschützenmeister desselben, ist der Gauleiter. Zu seinem Beauftragten für den Standschützenverband ernennt er einen Landesoberschützenmeister. In den Kreis- und Ortsschützenverbänden ist der jeweilige Hoheitsträger der Partei Führer des Kreisverbandes bzw. Ortsschützenverbandes.“
Gaupresseamtsleiter der NSDAP Franz Pisecky, Die deutschen Gaue seit der Machtergreifung – Tirol Vorarlberg, 1940 (Seite 19)



„Der Führer bei Besichtigung der angetretenen Ehrenformationen des Standschützenverbandes mit Gauleiter Hofer beim 3. Landesschießen“ („Einladung zum 6. Landesschießen 1943“, Seite 2)


„Die Standschützen … sind in engster Fühlung und Kameradschaft mit der NSDAP. Auf allen Kreisappellen des vergangenen Sommers marschierten die Standschützenkompanien mit ihren alten Fahnen neben den politischen Leitern und den Formationen der SA, der SS, des NSKK und des NSFK, neben den Abteilungen des Reichsarbeitsdienstes. Partei und Standschützenverband bedeuten kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander und Füreinander. Die Partei und ihr Hoheitsträger im Gau Tirol-Vorarlberg haben mit der Wiedererweckung des Standschützenwesens einem Bedürfnis des Landes Genüge geleistet. Die NSDAP hat damit in diesem Gau ihre Führungsaufgabe bis zum Letzen erfaßt und erfüllt. Unter der Fahne des Führers ist dieser Stamm der Berge zu einer Einheit verschmolzen, die niemals zerreißen
wird.“
Gaupresseamtsleiter der NSDAP Franz Pisecky, Die deutschen Gaue seit der Machtergreifung – Tirol Vorarlberg, 1940 (Seite 20)



„Reichsführer SS Himmler mit Gauleiter Hofer bei einem Schießen im Gau Tirol-Vorarlberg“ („Einladung zum 6. Landesschießen 1943“, Seite 13)


„Bei allen diesen Veranstaltungen grüßte die im Zeichen des Hakenkreuzes geeinte Heimat die kämpfende Front und immer wieder fanden sich die Herzen im Gelöbnis unwandelbarer Treue zum Führer. Bei allen diesen Kundgebungen stand und marschierte in Gestalt der Standschützenformationen die beste Überlieferung unseres Berggaues mit den braunen Kolonnen der NSDAP. Schulter an Schulter …“
Gauamtsleiter Franz Pisecky, Kalender „Alpenheimat“ 1942, Seite 59




Ein kleines Opfer gegenüber den unzählbaren Opfern des NS-Regimes

Der Standschützen-Marsch meint die Standschützen der NS-Zeit und ist „dem Landesoberst-schützenmeister im Standschützenverband Tirol-Vorarlberg Gauleiter und Reichsstatthalter Parteigenosse Franz Hofer in Dankbarkeit gewidmet“.

Sepp Tanzer hat diese Widmung auch später nie zurückgenommen.

Heißt: Jedes Mal, wenn der Marsch heute gespielt wird, ist dies eine ausdrückliche Huldigung an den Gewaltverbrecher Gauleiter Hofer.

Die politische Hygiene verlangt es, dass der „Standschützen-Marsch“ (zumindest) bei offiziellen Terminen des Landes und in Anwesenheit von Regierungsvertretern nicht mehr gespielt wird. Es ist dies ein gar geringes Opfer angesichts der nicht zählbaren Opfer des NS-Regimes!

Darüber hinaus: Wer diesen Nazi-Marsch, entstanden in der NS-Zeit, geschrieben für die NS-Standschützen, gewidmet dem NS-Gauleiter, in Zukunft noch spielt, posaunt damit im wahrsten Sinne des Wortes in alle Welt hinaus, dass ihm die Verbrechen der Nazi-Diktatur am Marsch vorbeigehen.


30.10.2013


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